Mythos und Geschichten der Biene
Bienen bevölkern schon seit vielen Millionen Jahre unsere Erde. Dies beweisen Funde von eingeschlossenen Bienen in Bernstein.
Bevor der Ackerbau begann ernährte sich der Mensch von dem, was die Natur täglich bot. Auf der Suche nach Nahrung entdeckte der Mensch schon früh den Bienenhonig und lernte dessen Eigenschaften zu schätzen. Eine steinzeitliche Felsmalerei in der «Spinnengrotte» in der Nähe von Valencia zeigt eine Frau, welche an einem Seil hochklettert, um ein Bienennest auszuheben. Die Zeichnung wird mit etwa zwölftausend Jahren angegeben.
Schon bald wurde der Wert und die Heilkraft des Honigs erkannt und viele alte Kulturen begannen mit der Bienenzucht. Die Ägypter hielten vor fünftausend Jahren die Bienen bereits in Tonröhren und wanderten damit zu den Trachtgebieten, um den Honigertrag zu steigern. In einem Grab welches dreitausend Jahre alt ist, wurde von Archäologen ein Honigtopf gefunden. Dieser Honig war bei der Entdeckung noch in perfektem Zustand. Auch Rauch wurde damals schon verwendet um die Bienen zu vertreiben.
Im antiken Griechenland wurde er von Hippokrates als eine lebensverlängernde, stärkende Nahrung empfohlen. Er verordnete den Honig auch bei Fieber, Wundbehandlung und in der Diätetik. Die Bienen waren Demeter, der Göttin des Ackerbaus und der Feldfrucht zugeordnet, und die Priesterinnen der Demeter wurden «melissai» (Bienen) genannt. Auf einer altgriechischen Münze auf der sowohl eine Kuh, als auch Bienen und Bienenstöcke zu sehen sind, dürften wohl als Sinnbild für die Aussage «das Land wo Milch und Honig fliessen» stehen.
Im Alten Testament versinnbildlichen Honig und Biene, Erkenntnis und Weisheit. Die biblische Debora (Deborah) war Prophetin und Richterin und ist der hebräische Name für Biene.
Der heilige Ambrosius ist der Schutzpatron der Imker, Wachszieher und Lebkuchenbäcker, der Bienen, der Haustiere und des Lernens. Die Verehrung als Schutzpatron erklärt sich aus einer Überlieferung. In seiner Kindheit soll sich ein Bienenschwarm auf seinem Gesicht niedergelassen haben. Die Bienen seien in den Mund des Kindes gekrochen und hätten es mit Honig genährt.
Auch bei den Germanen galt der Honig als «Götterspeise», dem Gottvater Odin seine Unsterblichkeit, Kraft und Weisheit verdankte. Der einfache Germane genoss den Honig bevorzugt als Met (Honigwein). Bienen galten als besonders reine Wesen, die den Germanen so heilig waren, dass in ihrer Gegenwart nicht gestritten werden durfte.
Der Lebensbaum oder die Weltesche «Yggdrasil» genannt, spielt in der nordischen Mythologie eine zentrale Rolle. Mit ihren Zweigen umfasst sie die Welt und ragt zum Himmel empor. Unter ihrem Stamm, in dem das erste Bienenvolk hauste, quoll ein heiliger Brunnen. Aus diesem schöpften drei Schicksalsgöttinnen Wasser und sprühten es über die Blätter des Lebensbaumes. Das Lebenswasser, das von der Esche auf die Erde fiel, wurde Honigfall (Honigtau) genannt. Davon ernährten sich die Bienen und die ersten beiden Menschen, die aus der Weltesche heraus geboren wurden. Honig erscheint in diesem Bild als Urnahrung der ersten Menschen, als Saft der Fruchtbarkeit.
Bienen bilden einen arbeitsamen, wohlhabenden Staat, an dessen Spitze eine Königin steht. Deshalb wurde sie immer wieder als Symbol des Königtums verwendet. Da Bienen Himmel und Erde bevölkern, symbolisieren sie das Leben und die Seele.
Bis in die Zeit des Paracelsus behielt der Honig seinen hohen Rang in der Medizin, bis er ihn langsam einbüsste. Erst heute nimmt das Interesse am Honig und an den übrigen Bienenerzeugnissen auch aufgrund der Untersuchungen seiner Inhaltsstoffe wieder zu. Und die mit Honig als Heilmittel erzielten Erfolge geben den vielen Überlieferungen recht.
Älteste Zeugnisse auf Schweizer Boden: Nach einer Legende zog der heilige Gallus einem verwundeten Bären einen Dorn aus der Tatze, und das dankbare Tier führte ihn darauf zu einem Bienennest voller Honig. Die Legende könnte darauf hinweisen, dass der heilige Gallus unter anderem das Können der Bienenhaltung mitbrachte und verbreitete. Erste schriftliche Zeugnisse über Bienen, Honig und Wachs stammen aus dem Kloster St. Gallen.
In Bern erzählt man den Kindern noch heute das Märchen von einem armen Mädchen, das von seiner Stiefmutter derart geplagt wurde, dass es in den Wald floh. Es wollte lieber von den wilden Tieren zerrissen werden, als weiterhin diese Quälereien erdulden. Frierend, hungernd und ohne eine Hoffnung irrte das Mädchen in der Wildnis umher, als plötzlich ein Bär vor ihr stand. Anstatt das Kind zu fressen, zog er freundlich brummend an ihrem Kleid, bis sie zu seiner Höhle gelangten. Er brachte trockenes Moos, damit die junge Frau sich setzen konnte, und gab ihr Honig, frische Erdbeeren und andere Köstlichkeiten, um ihren Hunger zu stillen. Sie verstand den Wunsch des Bären, dass sie bei ihm bleiben soll. Also richtete sie sich in der Höhle häuslich ein, putzte und kochte und schlief bei ihm, wenn die Nächte kalt waren. Nach und nach schenkte sie einer Reihe recht stämmiger Söhne das Leben. Diese hatten ihr Aussehen und dazu die Kraft und den Mut des Bären geerbt. Als sie erwachsen waren, machten sie sich im ganzen Land wegen ihrer Gutmütigkeit beliebt. Beim Kaiser erwarben sie Verdienste als tapfere Krieger, und aus den bäuerlichen Schwingfesten gingen sie stets als Sieger hervor. Sie waren die Urväter des Geschlechts der Berner.
Aus dem Volksglauben kommt die Vorstellung, dass die aus dem Körper verstorbene Seelen noch eine Weile als Biene herumfliegt. Man verzierte die Gräber mit frischen Blumen und freute sich, wenn diese reichlich von den «summenden Seelen» besucht wurden.
Die Biene als Krafttier
Überall in der Welt galt die Biene als ein mythisches Symbol. Im Hinduismus wurde sie Vishna, Krishna oder selbst Kama, dem Gott der Liebe zugeordnet. In Ägypten stand sie für das Königtum, in Griechenland symbolisierte sie die Eleusinischen Mysterien und die Kelten brachten sie mit verborgener Weisheit in Verbindung. Am bedeutsamsten ist jedoch die Symbolik der Sexualität und Fruchtbarkeit, die mit dem Stachel und seinem Anteil der Pollenbefruchtung zu tun hat. Eine Verbindung mit einer Biene hilft einem Struktur und Ordnung in sein Leben zu bringen. Hilft dabei Erkenntnis zu suchen und offenbart einem seine eigenen hohen Leistungen, zu denen man fähig sein kann.
Wie Ameisen sind auch die Bienen hervorragende Architekten. Die Waben sind sechseckig, eine Form, die seit Urzeiten eine mystische Bedeutung hat und als Symbol des Herzens und der Süsse des Lebens galt. Das Sechseck symbolisiert die Sonne und alle mit ihr assoziierten Energien. Wo das Chaos zunimmt, wo Planlosigkeit und Strukturlosigkeit selbst den grössten Einsatz nutzlos machen, sollte das Vorbild der Biene für Ordnung sorgen. Viele Menschen werden sich erst in der organisierten und straffen Lebensführung nach Bienenvorbild ihrer Fähigkeiten bewusst, und nicht selten beflügeln neu gewonnene Kraft zu enormen Leistungen. Das Elixier des Lebens ist ebenso süss wie der Honig und die Biene verheisst uns symbolisch, dass wir es trinken werden, wenn wir unsere Träume verwirklichen.